
Es ist die vielleicht wichtigste Nachricht in der Autoindustrie des Jahres. Daimler und Nvidia formen eine enge Partnerschaft. Warum das so wichtig ist und was da für die gesamte Industrie bedeutet.
Es ist eine ebenso überraschende wie weitreichende Partnerschaft, die Daimler und Nvidia gestern Abend angekündigt haben. Daimler wird in Zukunft auf Hard- Software von Nvidia setzen um sowohl das Entertainmentsystem, als auch das autonome Fahren der Sufe 4 voran zu treiben. Das US-Unternehmen wird dabei seine Nvidia Drive Plattform als Basis für einen zentralen Rechner für das zukünftige, einheitliche Betriebssystem von Daimler bereitstellen. Über diese zentrale Rechnereinheit werden dann alle wichtige Funktionen des Fahrzeugs gesteuert, also sowohl das autonome Fahren als auch das Entertainmentsystem. Auch die Over-The-Air-Updates, die dann möglich sein werden, laufen über diese Plattform.
Gleichzeitig hat Daimler bekannt gegeben, dass man die Zusammenarbeit mit BMW und Bosch im Bereich der Softwareentwicklung für das autonomen Fahrens pausieren wird. Das bedeutet für Daimler, dass man alle verfügbaren Kräfte auf Nvidia konzentrieren wird. Man wird nicht komplett auf eine eigene Softwareentwicklung verzichten, aber es ist davon auszugehen, dass der Großteil der Entwicklung von Nvidia kommen wird. Die haben auch angekündigt, dass man eine „lebenslange Update-Garantie“ für die Fahrzeuge übernimmt, die mit der neuen Plattform ausgestattet werden. Angesichts der Tatsache, dass ein Auto zwischen 12 und 20 Jahre im Betrieb sein kann, ist das eine ziemlich weitreichende
Aussage.
Für Daimler hat diese Entscheidung große Konsequenzen. Zum einen gesteht man ein, dass das Rennen um die Software nur gewonnen werden kann, wenn man sich einen starken Partner außerhalb der Autoindustrie sucht. Der Versuch, alles mehr oder weniger selbst, beziehungsweise mit bestehenden Partnern zu entwicklen, ist gescheitert. Es bedeutet auch, dass man sich sehr langfristig auf einen einzigen Partner festlegt. Wenn Nvidia bei der Entwicklung von Level 4 Autonomie Probleme haben sollte, hat man keine Ausweichmöglichkeit.
Dennoch ist der Schritt von Daimler richtig. Nvidia ist kein Neuling in der Branche. Man entwickelt zentrale Rechner für Autos schon seit vielen Jahren. Die aktuelle Nvidia Drive Plattform ist schon die dritte Generation. Das wichtigste Argument von Nvidia für Daimler wird sein, dass die Amerikaner alles aus einer Hand liefern. Nvidia stellt seine eigenen Chips her, die zu den besten gehören, was man auf dem Markt finden kann. Die Rechenleistung der GPUs übertrifft fast die gesamte Konkurrenz. Dazu kommt, dass Nvidia auf Basis dieser Hardware die eigener Software entwickelt. Ein großer Vorteil für
den Hersteller.
Es ist ein Trend der letzten Jahren, dass Hersteller aus verschiedenen Branchen auf eigene Hardware setzen. Tesla macht das seit eigenen Jahren (nachdem sie lange mit Nvidia zusammen gearbeitet haben), aber auch andere Unternehmen sind in diesem Bereich unterwegs. Samsung und Huawei sind nur zwei Beispiele. Auch Apple baut seit mehr als zehn Jahren eigene CPUs, die bald auch in den MacBooks eingesetzt werden.
Der Vorteil dieser Herangehensweise liegt auf der Hand. Man kann schon bei der Entwicklung der Hardware mit den Softwareentwicklern festlegen. wie das Anforderungen gestellt werden. Anstatt die Software permanent einer Hardware anpassen müssen, auf deren Weiterentwicklung man kaum Einfluss hat. Das hat Auswirkungen auf das gesamte System. Es kann effizienter arbeiten, weniger Strom benötigen und dort leistungsfähig sein, wo man die Leistung wirklich benötigt. Auch die Entwicklungszyklen verkürzen sich.
Updates und auch komplett neue Features können schneller bereit gestellt werden. Der Vorteil sich die Gesamtarchitektur bei Nvidia einzukaufen bedeutet für Daimler auch, dass man einen großen Schritt in der Digitalisierung machen wird. Wenn man den avisierten Termin in 2024 einhalten kann, wird man, ausgenommen Tesla, vor allen anderen Herstellern weltweit liegen. Man hat ein zentrales Betriebssystem, welches auf einer zentralen, vom gleichen Partner entworfenen Plattform läuft. Man hat Over-The-Air-
Updates für alle Bereiche des Fahrzeugs und damit auch für den After-Sales-Markt im Entertainmentsystem. Und man wird ab 2024 in der Lage sein, verschiedene Formen des
autonomen Fahrens dort anbieten zu können, wo diese zugelassen sind. Das werden weder BMW noch Audi anbieten können.
Auch für Nvidia bedeutet die Partnerschaft viel. Mit der Daimler AG hat man zum ersten Mal in der Geschichte des Unternehmens einen Partner außerhalb der Tech-Szene gefunden. Mit immerhin rund zwei Millionen produzierten Fahrzeuge pro Jahr, gehört Daimler zu den größeren Anbietern. Anmerken sollte man auch, dass die Partnerschaft zwischen beiden Unternehmen nicht exklusiv ist. Nvidia hat also die Möglichkeit zumindest seine Plattform Nvidia Drive auch an andere Hersteller zu verkaufen. Auch wenn die Softwareentwicklung, die man mit Daimler erledigt, natürlich exklusiv bleibt, öffnet der
gestern angekündigte Deal für Nvidia völlig neue Möglichkeiten.
Der Deal ist für die Automobilbranche ein absoluter Gamechanger. Mit Nvidia hat sich Daimler einen der besten verfügbaren Partner auf dem Markt geschnappt. Auch wenn die Entscheidung, alle Karten auf Nvidia zu setzen, nicht ohne Risiken ist, bietet sie für beide Seiten eine langfristige Perspektive. Die anderen Hersteller werden es schwer haben, dem etwas entgegen zu setzen.
Dies ist nur die Spitze des Eisbergs, die die Automobilindustrie zur Kenntnis nehmen sollte. Nicole Scott und Don Dalhmann packen die Ankündigung aus und schauen sich an, was dies für die Zukunft der Automobilindustrie bedeutet.